– Einschätzungen nach einem Besuch in der JVA Kassel I
Ob Sie sich diese Frage schon gestellt haben? Die Antworten würden unterschiedlich ausfallen. Menschen können real gefangen sein, sich aber auch in einem „inneren Gefängnis“ befinden. Die Schülerinnen und Schüler aus der Sozialassistentenklasse (Jahrgangsstufe 11) der Herwig-Blankertz-Schule in Hofgeismar hatten vor den Osterferien die besondere Möglichkeit, die JVA Kassel I zu besuchen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf einer intensiven Vorbereitung. So wurde der Religionsunterricht von mir entsprechend gestaltet, um den jungen Menschen eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem großen Themenkomplex Schuld-Strafe-Strafvollzug-Vergebung zu bieten. Die Thematik erfährt schnell eine mediale Beeinflussung, weil die meisten Menschen keine Vorerfahrungen haben, aber dennoch eine Meinung besitzen, die polarisierend sein kann. Diese Tatsache wird weder den Bediensteten gerecht, die im Justizvollzug arbeiten, noch entspricht sie der Lebensrealität der Inhaftierten.
Nach dem Besuch in der JVA verfügen die Schülerinnen und Schüler über ein kritisches Urteilsvermögen. Schließlich haben sie an einem Vormittag spüren können, dass Teile der persönlichen Freiheit deaktiviert waren. In jedem von uns steckt der Wille, frei zu sein. Deshalb lassen wir uns nicht gerne auf Einschränkungen ein. Da die Klasse auch mit einem Inhaftierten sprechen durfte, gibt es eine realistischere Vorstellung darüber, was eine längere Freiheitsstrafe in der Konsequenz für einen Häftling bedeutet. – Sehr freuen würde sich die Schülergruppe, wenn Sie sich als Leserinnen und Leser für die Berichte interessieren, die nach dem Gefängnisbesuch entstanden sind. Einige davon stellen wir hier zur Verfügung.
Namentlich danken möchten wir dem Leiter der JVA Kassel I, dem Ltd. Regierungsdirektor Jörg-Uwe Meister, der seit vielen Jahren das Projekt unterstützt und auch diesen Besuch genehmigt und personell ermöglicht hat. Schließlich gehört es nicht zu den vordringlichsten Aufgaben einer Justizvollzugsanstalt, die Türen für eine Schulklasse zu öffnen. Ein großer Vertrauensbeweis! So sind sich alle nach dem Besuch dieser Exklusivität bewusst und wissen das zu schätzen. Da auch im Justizvollzug gutes Personal immer gefragt ist, bieten sich übrigens für angehende Sozialassistenten nach einer weiteren Ausbildung interessante berufliche Perspektiven. Das ist ein Aspekt, der ebenfalls Beachtung verdient.
(Susanne Hold)